Karlskrona 1910. Liv fühlt sich nicht nur von dem Korsett eingeengt, das sie täglich anlegt, sondern auch von der lieblosen Ehe mit dem Reeder Sten Boregard. Der Drang, von ihrem Platz an seiner Seite auszubrechen, verstärkt sich, als sie die Arbeiterfrau Marlene kennenlernt, die das Schicksal hart getroffen hat: Seit dem Tod ihres Mannes und seiner Mannschaft auf See wird Marlene von den anderen Seemannsfrauen angefeindet – und doch lässt sie sich nicht kleinkriegen. Liv ist fasziniert von Marlenes Freiheitsgeist und Tatendrang. Zarte Bande einer Freundschaft entstehen, und als Liv überraschend ein von Rosen umranktes Wildhüterhaus in den schwedischen Wäldern erbt, keimt in ihnen eine kühne Idee auf: Sie wollen einen Rückzugsort für Frauen schaffen, an dem sie sich selbst verwirklichen können. Heimlich hauchen Liv und Marlene dem Rosenhag und seinem Garten voller Wildblumen neues Leben ein – doch sie ahnen nicht, dass nicht nur ihr Geheimnis in Gefahr ist, sondern auch sie selbst…
Mit „Die Frauen vom Rosenhag“ entführt uns Corina Bomann wieder nach Schweden, diesmal ins beginnende 20. Jahrhundert.
Es geht um zwei Frauen, die zwar in unterschiedlichen Welten leben, aber eigentlich gar nicht so verschieden sind. Liv stammt selbst aus einfachen Verhältnissen und ist nur durch ihre Heirat mit dem Reeder Sten Boregard in gesellschaftlich anderen Kreisen unterwegs. Aber ihre Ehe ist seit langem nicht mehr glücklich, den Sten behandelt sie als sein Eigentum. Und er gibt ihr die Schuld, dass er keinen Erben für sein Unternehmen hat.
Marlene war die Ehefrau eines Kapitäns, der auf einem von Boregards Schiffen gefahren ist. Aber seit einem Schiffsunglück ist sie Witwe und wird zudem noch angefeindet von den anderen Seemannsfrauen, die ebenfalls ihre Männer oder Söhne verloren haben. Denn natürlich geben sie dem Kapitän die Schuld dran, dass das Schiff gesunken ist.
Durch einen Zufall begegnen sich die beiden Frauen und freunden sich an.
Marlene ist eine Kämpferin, die nicht aufgibt und das macht auch Liv Mut. Sie beginnt sich zu fragen, was ihr gesellschaftliches Leben und ihre Ehe mit Sten ihr noch bedeuten. Und ob es nichts Sinnvolleres gibt, wie zum Beispiel Frauen zu helfen, die von ihren Männern geschlagen werden und einen Unterschlupf suchen.
Die Geschichte wird von drei Personen aus der Ich-Perspektive erzählt. Jedem Kapitel wird der jeweilige Name vorangestellt, so dass man immer weiß, aus welcher Sicht gerade erzählt wird.
Da sind Marlene und Liv als Hauptfiguren, aber dann ist da auch noch Oskar Andersson. Der Journalist aus Stockholm kommt nach Karlskrona, um vorgeblich für eine kleinere Zeitung zu schreiben. Erst im Laufe der Geschichte wird das Rätsel um seine wahren Beweggründe und seinen eigentlichen Auftrag gelöst. Bis dahin bleibt einiges im Dunkeln und zwischenzeitlich hatte ich sogar den Verdacht, dass er ein Spion sein könnte. Ob das so ist, verrate ich aber hier nicht.
Der Schreibstil hat mir wie immer gut gefallen, er ist lebendig und anschaulich. Durch den Wechsel in den Kapiteln, die oft mit einem kleinen „Cliffhanger“ enden, wird die Spannung durchweg aufrecht erhalten.
Im Nachwort sagt Corina Bomann, dass sie mit der Geschichte von Liv und Marlene wieder über ein Thema, das ihr in all ihren Romanen am Herzen liegt: Das Leben von Frauen in vergangenen Zeiten. Und das ist ihr wie immer wunderbar gelungen. Auch wenn zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste Veränderungen spürbar waren und überall für das Wahlrecht für Frauen gekämpft wurde, hatte besonders eine verheiratete Frau in höheren Kreisen kaum etwas zu melden. Geld und Reichtum ihres Mannes nutzte ihr gar nichts, denn es gehörte ihrem Mann, nicht ihr. Auch wenn sie vor einer Heirat im Alter von 25 Jahren durch einen vom König gewährten Antrag, ihren eigenen Besitz verwalten und Geschäfte ohne einen männlichen Vormund abschließen durfte, änderte sich das mit einer Ehe. Ab dem Zeitpunkt war sie ihrem Ehemann unterstellt und ihr gesamter Besitz gehörte nun ihm. Ihre Mündigkeit erhielt die Frau erst dann zurück, wenn sie zur Witwe wurde.
Im August erscheint mit „Sehnsucht nach Freiheit“ der zweite Teil der Saga, auf den ich sehr gespannt bin. Wie geht es mit Liv und Marlene und dem Rosenhag weiter? Werden sie in Zukunft ihr Leben selbst bestimmen können?
Fazit: Mitreißend und emotional, mit authentischen Charakteren, eine echte Leseempfehlung.
Bewertung: 🌹🌹🌹🌹🌹